
Entgegen der Annahme, der Artenschutz sei allein Aufgabe von Regierungen, liegt der wirksamste Hebel in unseren täglichen, persönlichen Entscheidungen.
- Unser Konsum-Fußabdruck, insbesondere bei Lebensmitteln, formt Lebensräume weltweit.
- Kleine, private Grünflächen wie Gärten und Balkone können ein lebenswichtiges Netzwerk für bedrohte Arten bilden.
- Die Wahl unserer Bank oder Versicherung hat oft einen größeren, wenn auch unsichtbaren, Einfluss auf die Natur als viele andere Handlungen.
Empfehlung: Beginnen Sie mit einem persönlichen Audit Ihres Konsums, Ihres Zuhauses und Ihrer Finanzen, um Ihren größten und wirksamsten Hebel für den Schutz der Artenvielfalt zu identifizieren.
Haben Sie jemals innegehalten, um das Summen einer Hummel in einer Blüte zu beobachten oder den Gesang einer Amsel in der Morgendämmerung zu hören? Diese kleinen, flüchtigen Momente sind mehr als nur eine angenehme Kulisse für unser Leben. Sie sind die hör- und sichtbaren Fäden in einem unendlich komplexen Netz – dem Netz des Lebens. Dieses Gewebe, die Biodiversität, ist die Grundlage unserer Existenz. Es versorgt uns mit sauberer Luft, fruchtbaren Böden, trinkbarem Wasser und unserer Nahrung. Doch dieses Netz ist in Gefahr. Wir hören von schmelzenden Gletschern, brennenden Wäldern und dem Verschwinden von Arten, und es fühlt sich oft überwältigend an, wie ein Problem, das nur von globalen Gipfeltreffen und politischen Dekreten gelöst werden kann.
Die üblichen Ratschläge – „weniger fliegen“, „Müll trennen“ – sind zwar wichtig, kratzen aber nur an der Oberfläche eines systemischen Problems. Sie lassen uns oft mit dem Gefühl zurück, dass unser Beitrag nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Doch was, wenn die wahre Macht zur Veränderung nicht in der Ferne, sondern direkt vor unserer Haustür liegt? Was, wenn die entscheidenden Hebel nicht nur in den Händen von Politikern, sondern in unseren eigenen sind – in unserem Einkaufswagen, auf unserem Balkon, ja sogar in unserem Bankkonto? Dieser Artikel nimmt Sie mit auf eine Reise, die das Abstrakte greifbar macht. Wir werden die dramatischen Folgen des Artensterbens anhand konkreter Beispiele verstehen, die wahren Treiber entlarven und vor allem entdecken, welche erstaunliche Macht in Ihren Händen liegt, um die Fäden des Lebensnetzes wieder zu stärken.
Um die Zusammenhänge und Ihre Handlungsmöglichkeiten klar aufzuzeigen, gliedert sich dieser Artikel in mehrere logische Schritte. Wir beginnen mit den konkreten Auswirkungen, analysieren die Ursachen und widmen uns dann den kraftvollen, persönlichen Lösungsansätzen, die jeder von uns ergreifen kann.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Wegweiser zum aktiven Artenschutz
- Wenn die Bienen schweigen: Eine Fallstudie über die dramatischen Folgen des Artensterbens
- Die 5 Reiter der Apokalypse: Wer und was wirklich hinter dem globalen Artensterben steckt
- Ihr Einkaufswagen entscheidet: Wie Ihr täglicher Konsum die Artenvielfalt weltweit beeinflusst
- Inseln der Hoffnung: Die entscheidende Rolle von Schutzgebieten im Kampf gegen das Aussterben
- Werden Sie zum Arten-Detektiv: Wie Sie mit Ihrem Smartphone der Wissenschaft und dem Naturschutz helfen können
- Schottergärten des Grauens: Warum Ihr „pflegeleichter“ Garten eine Todesfalle für die Natur ist
- Bio, Fairtrade, Vegan? Welchem Nachhaltigkeitssiegel Sie wirklich vertrauen können
- Die Macht Ihrer Entscheidung: Wie Sie durch bewussten Konsum die Welt nachhaltig verändern
Wenn die Bienen schweigen: Eine Fallstudie über die dramatischen Folgen des Artensterbens
Stellen Sie sich einen Supermarkt vor, in dem die Regale für Obst, Gemüse, Kaffee und Nüsse halb leer sind. Dieses Szenario ist keine dystopische Fiktion, sondern die direkte Konsequenz, wenn ein einziger Faden im Netz des Lebens reißt: der der Bestäuber. Die Biene ist zum Symbol geworden, doch sie steht für Tausende von Insektenarten, deren Arbeit einen unschätzbaren Wert hat. Diese Leistung, die die Natur kostenlos erbringt, nennen Wissenschaftler eine Ökosystem-Dienstleistung. Die Bestäubung durch Insekten ist für über 75% der weltweit wichtigsten Nahrungspflanzen essenziell. Ohne sie bricht nicht nur ein Teil unserer Nahrungsmittelversorgung zusammen, sondern ganze Ökosysteme geraten ins Wanken, da viele Wildpflanzen sich nicht mehr vermehren können.
Das Schweigen der Bienen ist daher mehr als nur der Verlust einer Art. Es ist ein Alarmsignal, das eine Kettenreaktion auslöst. Weniger Pflanzenvielfalt bedeutet weniger Nahrung für andere Tiere, was wiederum zu deren Rückgang führt. Der Boden verliert an Stabilität, die Wasserqualität leidet. Die Fallstudie des Bienensterbens zeigt uns auf eindringliche Weise, dass die Artenvielfalt kein Luxus ist, den wir uns leisten, sondern die funktionale Infrastruktur unseres Planeten. Jede Art, egal wie klein oder unscheinbar, hat eine Funktion. Ihr Verschwinden hinterlässt eine Lücke, die oft nicht gefüllt werden kann und das gesamte System schwächt – mit direkten Folgen für unsere Ernährungssicherheit, unsere Wirtschaft und letztlich unsere Gesundheit.
Die 5 Reiter der Apokalypse: Wer und was wirklich hinter dem globalen Artensterben steckt
Das Artensterben ist kein Schicksal, sondern das Ergebnis menschlichen Handelns. Wissenschaftler haben die fünf Haupttreiber, die „fünf Reiter der Apokalypse“ für die Biodiversität, klar identifiziert. An erster und wichtigster Stelle steht die Zerstörung von Lebensräumen. Jeden Tag werden Landschaften umgestaltet, um Platz für Landwirtschaft, Städte und Infrastruktur zu schaffen. Ein besonders erschreckendes Beispiel ist die Flächenversiegelung. Allein in Deutschland werden laut einer Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung täglich rund 55 Hektar Fläche neu für Siedlungen und Verkehrswege verbraucht. Das entspricht einer Fläche von etwa 78 Fußballfeldern, die unwiederbringlich für die Natur verloren geht.

Die weiteren Treiber sind nicht weniger gravierend. Die Übernutzung natürlicher Ressourcen durch Jagd, Fischerei und Abholzung treibt viele Arten an den Rand des Aussterbens. Der Klimawandel verändert die Lebensbedingungen so schnell, dass viele Arten sich nicht anpassen können. Die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden mit Pestiziden, Plastik und anderen Schadstoffen vergiftet Lebensräume. Und schließlich die Verbreitung invasiver Arten, die durch den globalen Handel in neue Gebiete gelangen und dort heimische Arten verdrängen. Diese fünf Faktoren wirken oft zusammen und verstärken sich gegenseitig, was den Druck auf die ohnehin schon geschwächten Ökosysteme massiv erhöht.
Ihr Einkaufswagen entscheidet: Wie Ihr täglicher Konsum die Artenvielfalt weltweit beeinflusst
Jeder Griff ins Supermarktregal ist eine Abstimmung mit dem Geldbeutel – eine Entscheidung, die weit über die eigene Küche hinauswirkt. Unser Konsum-Fußabdruck, insbesondere bei Lebensmitteln, ist einer der größten Hebel, den wir als Einzelne haben. Die Produktion von Fleisch und Milchprodukten beispielsweise benötigt enorme Flächen für Weideland und den Anbau von Futtermitteln wie Soja, oft in Regionen, wo dafür Regenwälder gerodet werden. Auch Produkte mit nicht zertifiziertem Palmöl oder exotische Früchte, die über weite Strecken transportiert werden, tragen zur Zerstörung wertvoller Lebensräume bei.
Doch es geht nicht um Perfektionismus oder Verzicht, sondern um bewusste Entscheidungen. Der Umstieg auf eine stärker pflanzenbasierte Ernährung, der Vorzug von regionalen und saisonalen Produkten und die Wahl von zertifizierten Bio-Lebensmitteln können einen gewaltigen Unterschied machen. Diese Produkte stammen oft aus landwirtschaftlichen Systemen, die auf Pestizide verzichten und die Bodengesundheit fördern, was direkt der lokalen Insekten- und Vogelwelt zugutekommt. Indem wir unseren Konsum hinterfragen und anpassen, senden wir ein starkes Signal an die Industrie und übernehmen direkt Verantwortung für die globalen Auswirkungen unseres Lebensstils. Ihr Einkaufswagen ist somit nicht nur ein Korb für Lebensmittel, sondern ein mächtiges Werkzeug für den globalen Naturschutz.
Ihr persönlicher Einkaufs-Audit: In 5 Schritten zu mehr Artenvielfalt
- Herkunft analysieren: Nehmen Sie sich eine Woche Zeit und notieren Sie bei fünf Schlüsselprodukten (z.B. Tomaten, Äpfel, Rindfleisch), woher diese stammen. Visualisieren Sie die Distanz auf einer Karte.
- Inhaltsstoffe prüfen: Scannen Sie die Zutatenlisten von fünf verarbeiteten Produkten in Ihrem Vorratsschrank. Identifizieren Sie verstecktes Palmöl oder Soja ohne Nachhaltigkeitszertifikat.
- Siegel-Check: Sammeln Sie die Logos der Bio- und Nachhaltigkeitssiegel, die Sie mit Ihrem letzten Einkauf nach Hause getragen haben. Vergleichen Sie deren Kriterien mit denen strenger Verbände wie Demeter oder Bioland.
- Protein-Bilanz erstellen: Schätzen Sie grob, wie viele Ihrer Mahlzeiten pro Woche auf tierischem Protein basieren. Bewerten Sie das Verhältnis zu pflanzlichen Proteinquellen wie Linsen, Bohnen oder Tofu.
- Optimierungsplan festlegen: Wählen Sie basierend auf Ihrer Analyse einen einzigen, leicht umsetzbaren Punkt aus (z.B. „Fleisch am Montag ersetzen“ oder „Nur noch regionale Äpfel kaufen“) und setzen Sie ihn für einen Monat um.
Inseln der Hoffnung: Die entscheidende Rolle von Schutzgebieten im Kampf gegen das Aussterben
Angesichts der fortschreitenden Zerstörung von Lebensräumen sind Schutzgebiete wie Nationalparks und Biosphärenreservate zu entscheidenden Rückzugsorten geworden – zu wahren Inseln der Hoffnung für bedrohte Arten. In Deutschland stehen rund 15% der Landesfläche unter Schutz, und diese Gebiete sind das Rückgrat des Naturschutzes. Doch laut Einschätzungen von Naturschutzorganisationen sind selbst viele dieser Schutzgebiete in einem unzureichenden Zustand. Umso wichtiger sind Projekte, die zeigen, was möglich ist, wenn die Natur Raum zurückerhält.
Fallbeispiel: Das Grüne Band Deutschland – vom Todesstreifen zum Lebensraum
Ein herausragendes Beispiel ist das „Grüne Band“ entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Was einst ein tödlicher Streifen aus Zäunen und Wachtürmen war, blieb über Jahrzehnte vom Menschen weitgehend unberührt. In diesem unfreiwilligen Refugium konnten über 1.200 gefährdete Tier- und Pflanzenarten überleben. Nach dem Fall der Mauer wurde dieser Streifen dank des Engagements von Naturschützern zum ersten gesamtdeutschen Naturschutzprojekt. Heute ist das Grüne Band ein fast 1.400 Kilometer langes Netzwerk aus wertvollen Lebensräumen und ein Symbol dafür, wie sich Natur erholen kann, wenn man sie lässt.
Das Problem ist jedoch, dass diese Schutzgebiete oft isoliert in der Landschaft liegen. Für viele Arten sind sie wie Inseln im Ozean – unerreichbar. Hier kommt das Konzept des Biotop-Verbunds ins Spiel. Es geht darum, diese Inseln durch Korridore miteinander zu verbinden. Und an diesem Punkt wird die Rolle des Einzelnen wieder entscheidend: Jeder naturnahe Garten, jeder blühende Balkon und jede begrünte Firmeneinrichtung kann zu einem kleinen „Trittstein“ in diesem Netzwerk werden und Tieren die Wanderung zwischen den großen Schutzgebieten ermöglichen. Die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger fasste die Dringlichkeit bei der Vorstellung des Faktenchecks Artenvielfalt 2024 treffend zusammen: „Wir dürfen nicht an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Einen Planeten B haben wir nicht.“
Werden Sie zum Arten-Detektiv: Wie Sie mit Ihrem Smartphone der Wissenschaft und dem Naturschutz helfen können
Die Zeiten, in denen Naturschutz allein eine Aufgabe für Biologen mit Klemmbrett und Fernglas war, sind vorbei. Dank der Digitalisierung kann heute jeder von uns zu einem wertvollen Mitarbeiter der Wissenschaft werden – ein Konzept, das als Bürgerwissenschaft oder Citizen Science bekannt ist. Mit nichts weiter als einem Smartphone können Sie aktiv dazu beitragen, das Wissen über die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu vergrößern und so die Grundlagen für effektive Schutzmaßnahmen zu schaffen. Zahlreiche Apps ermöglichen es, Beobachtungen von Vögeln, Insekten oder Pflanzen einfach per Foto zu melden.
Fallbeispiel: NABU Insektenwelt App – Bürgerwissenschaft in Aktion
Die App „NABU Insektenwelt“ ist ein Paradebeispiel für gelungene Bürgerwissenschaft. Nutzer können Fotos von Schmetterlingen, Käfern oder Wildbienen hochladen. Eine automatische Erkennungsfunktion hilft bei der Bestimmung der Art, und die Beobachtung wird mit Standortdaten an zentrale wissenschaftliche Datenbanken übermittelt. Diese Daten sind von unschätzbarem Wert: Sie fließen direkt in die Erstellung der Roten Listen gefährdeter Arten ein, helfen bei der Überwachung von Populationstrends und liefern die Datengrundlage für die Ausweisung neuer Schutzgebiete. Aktionen wie die „Stunde der Wintervögel“ zeigen das enorme Potenzial: Laut NABU beteiligen sich hier regelmäßig über 100.000 Menschen und generieren so eine der größten ökologischen Datenerhebungen Europas.
Indem Sie zum Arten-Detektiv werden, tun Sie mehr, als nur Daten zu sammeln. Sie schärfen Ihren eigenen Blick für die Natur vor Ihrer Haustür, lernen die Vielfalt kennen und entwickeln eine tiefere Verbindung zu Ihrer Umwelt. Sie können sogar einen Schritt weitergehen und einen lokalen „BioBlitz“ organisieren – eine Veranstaltung, bei der Nachbarn zusammenkommen, um innerhalb von 24 Stunden so viele Arten wie möglich in einem bestimmten Gebiet zu erfassen. Apps wie „Naturgucker.de“ bieten dafür die perfekte Plattform. So wird aus individuellem Interesse eine gemeinschaftliche Aktion mit echtem wissenschaftlichem Mehrwert.
Schottergärten des Grauens: Warum Ihr „pflegeleichter“ Garten eine Todesfalle für die Natur ist
Sie sind grau, leblos und werden paradoxerweise als modern und pflegeleicht vermarktet: Schottergärten. Doch hinter der vermeintlich sauberen Fassade verbirgt sich eine ökologische Katastrophe. Diese Flächen aus Stein, oft unterlegt mit einer Plastikfolie, sind für die heimische Tierwelt eine Wüste. Es gibt keine Nahrung für Bienen, keine Verstecke für Igel, keine Brutplätze für Vögel. Regenwasser kann nicht versickern, und im Sommer heizen sich die Steine extrem auf, was das Mikroklima negativ beeinflusst. Ein Schottergarten ist das exakte Gegenteil eines lebendigen Biotops.
Der Mythos der Pflegeleichtigkeit ist dabei eine der größten Täuschungen. Während ein naturnahes Staudenbeet nach einer anfänglichen Pflanzphase weitgehend sich selbst überlassen werden kann, erfordern Schottergärten ständige Arbeit. Laub muss mühsam entfernt werden, Algen und Moose bilden grüne Beläge, und zwischen den Steinen sprießt unweigerlich Unkraut, das von Hand gezupft werden muss. Ein Kostenvergleich zeigt die Wahrheit hinter dem Trend schonungslos auf.
Dieser Vergleich von Daten der Initiative „Insektenfreude“ zeigt, dass ein naturnaher Garten nicht nur ökologisch wertvoller, sondern auch langfristig günstiger und zeitsparender ist.
| Aspekt | Schottergarten | Naturnahes Staudenbeet |
|---|---|---|
| Initialkosten | 2.500-4.000€ | 800-1.500€ |
| Jährliche Pflege | 300-500€ (Reinigung, Unkraut) | 50-100€ nach Etablierung |
| Zeitaufwand/Jahr | 20-30 Stunden | 5-10 Stunden nach Jahr 1 |
| Biodiversitätswert | Nahezu null | Hoch (30+ Arten) |
Die Alternative ist ein Paradies für Mensch und Tier: ein Garten mit heimischen Wildstauden, einer kleinen Wildblumenwiese, einem Totholzhaufen als Insektenhotel und einer Wasserstelle. Ein solcher Garten summt und brummt vor Leben, bietet unzähligen Arten ein Zuhause und ist ein persönlicher, wunderschöner Beitrag zum Biotop-Verbund. Er ist Ihr eigenes kleines Stück wiederhergestellter Natur.

Bio, Fairtrade, Vegan? Welchem Nachhaltigkeitssiegel Sie wirklich vertrauen können
Der Wille, durch bewussten Konsum etwas Gutes zu tun, ist groß. Doch im Supermarkt steht man oft vor einem Dschungel aus Siegeln und Versprechen. Nicht jedes grüne Logo hält, was es verspricht. Grundsätzlich ist das EU-Bio-Siegel ein verlässlicher Mindeststandard: Es garantiert den Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Gentechnik. Doch für die Artenvielfalt geht es noch besser. Die Siegel der deutschen Anbauverbände wie Demeter, Bioland oder Naturland gehen weit über die EU-Vorgaben hinaus. Sie fordern beispielsweise, dass die Betriebe komplett auf Bio umstellen, fördern die Artenvielfalt durch Blühstreifen und Hecken und haben strengere Regeln für Tierhaltung und Düngung. Der Faktencheck Artenvielfalt 2024 zeigt die Dringlichkeit: fast ein Drittel der in Deutschland untersuchten Arten gilt als gefährdet, und eine biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft ist ein Schlüssel zur Umkehr dieses Trends.
Die Wahl des richtigen Siegels ist eine effektive Methode, um Landwirte zu unterstützen, die sich aktiv für die Artenvielfalt einsetzen. Die folgende Übersicht, basierend auf Analysen von Naturschutzverbänden wie dem NABU, hilft bei der Orientierung.
| Siegel | Biodiversitäts-Effekt | Hauptkriterien |
|---|---|---|
| Demeter/Bioland | Sehr positiv | 100% Bio-Futter, mehr Platz, strengste Auflagen, Gesamtbetriebsumstellung |
| EU-Bio | Positiv | Keine chem. Pestizide, Grundstandards |
| Regionalfenster | Neutral bis negativ | Garantiert nur Herkunft, keine Umweltkriterien |
Vorsicht ist geboten bei vagen Eigenmarken-Versprechen wie „aus kontrolliertem Anbau“ oder „naturnah“, die oft ohne eine unabhängige Zertifizierung auskommen. Auch der Begriff „vegan“ ist kein automatischer Garant für Nachhaltigkeit. Ein veganes Schnitzel aus Soja, das in Monokulturen auf ehemaligen Regenwaldflächen angebaut wurde, kann eine schlechtere Ökobilanz haben als ein Bio-Ei von einem regionalen Hof mit Freilandhaltung. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen und informierte Entscheidungen zu treffen.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Artensterben ist keine abstrakte Bedrohung, sondern untergräbt unsere Lebensgrundlagen wie sauberes Wasser, Nahrung und stabile Ökosysteme.
- Die Haupttreiber sind menschgemacht, allen voran die Zerstörung von Lebensräumen durch Landwirtschaft und Flächenversiegelung.
- Jeder Einzelne hat durch bewusste Entscheidungen beim Konsum, bei der Gartengestaltung und sogar bei der Wahl der Bank einen direkten und wirksamen Hebel.
Die Macht Ihrer Entscheidung: Wie Sie durch bewussten Konsum die Welt nachhaltig verändern
Wir haben gesehen, wie das Schweigen der Bienen unsere Teller leert, wie Beton unsere Landschaft frisst und wie ein naturnaher Garten zu einer Oase des Lebens wird. All diese Fäden laufen an einem Punkt zusammen: bei Ihnen. Die Summe Ihrer Entscheidungen hat eine gewaltige Macht. Doch es gibt einen Hebel, der oft übersehen wird, obwohl er vielleicht der wirkungsvollste von allen ist: der Finanzhebel. Wo liegt Ihr Geld? Traditionelle Banken und Versicherungen investieren oft in Industrien, die zu den größten Treibern des Artensterbens gehören – fossile Energien, industrielle Landwirtschaft, Rüstung.
Fallbeispiel: GLS Bank und EthikBank – Wie Ihr Geld für die Natur arbeiten kann
Nachhaltige Banken wie die GLS Bank oder die EthikBank in Deutschland verfolgen eine andere Philosophie. Sie legen ihre Investitionen transparent offen und finanzieren ausschließlich Projekte, die strengen sozialen und ökologischen Kriterien genügen. Ihr Geld fließt hier gezielt in den Ausbau erneuerbarer Energien, in biologische Landwirtschaftsbetriebe, in soziale Projekte und in den direkten Naturschutz. Ein Wechsel des Girokontos oder der Abschluss einer nachhaltigen Altersvorsorge ist somit eine der tiefgreifendsten Aktionen für den Artenschutz, da sie den umweltschädlichen Industrien Kapital entzieht und es in eine lebenswerte Zukunft lenkt.
Volker Mosbrugger, Sprecher der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt, bringt es auf den Punkt: „Der Erhalt der Biodiversität sichert unser Wohlergehen, aber auch das Wirtschaften. Schützen wir die biologische Vielfalt, schützen wir also uns selbst.“ Diese Erkenntnis verwandelt das Gefühl der Ohnmacht in ein Gefühl der Verantwortung und der Möglichkeit. Vom Supermarkt über den Garten bis hin zur Bank – Sie sind kein passives Opfer der Krise, sondern ein aktiver Gestalter der Lösung. Sie halten die Fäden in der Hand.
Das Netz des Lebens ist widerstandsfähig. Es kann heilen, wenn wir ihm die Chance dazu geben. Beginnen Sie noch heute damit, Ihre persönliche Macht zu nutzen und die Fäden zu stärken – für die Vielfalt des Lebens und damit für uns alle.
Häufige Fragen zum Thema Artenschutz und Konsum
Warum sind Demeter und Bioland besser für die Artenvielfalt als EU-Bio?
Diese Anbauverbände haben strengere Auflagen, die direkt die Artenvielfalt fördern. Dazu gehören die Pflicht zur Umstellung des gesamten Betriebs, die Förderung von Hecken und Blühstreifen, 100% Bio-Futter für Tiere und der Verzicht auf bestimmte, im EU-Bio-Anbau erlaubte natürliche Pestizide. Dies führt nachweislich zu einer höheren Anzahl an Arten von Wildkräutern, Insekten und Vögeln auf den bewirtschafteten Flächen.
Wie erkenne ich Greenwashing bei Supermarkt-Eigenmarken?
Seien Sie skeptisch bei vagen, ungeschützten Begriffen wie „aus kontrolliertem Anbau“, „naturnah“, „umweltfreundlich“ oder „integrierter Anbau“. Echte Nachhaltigkeit wird durch anerkannte, unabhängige Siegel wie EU-Bio, Demeter, Bioland, Naturland oder Fairtrade belegt, die immer mit einer Kontrollnummer versehen sind. Fehlt ein solches Siegel, handelt es sich oft um reines Marketing.
Sind vegane Produkte immer besser für die Biodiversität?
Nicht automatisch. Die Bilanz hängt stark von den Zutaten und deren Anbaumethode ab. Ein veganes Ersatzprodukt, das auf Soja aus riesigen Monokulturen in Südamerika basiert, für die Regenwald gerodet wurde, hat eine sehr schlechte Biodiversitätsbilanz. Im Vergleich dazu kann ein Bio-Ei von einem regionalen Freilandhof, der Blühstreifen anlegt und auf Pestizide verzichtet, die bessere Wahl für die lokale Artenvielfalt sein. Es kommt immer auf den gesamten landwirtschaftlichen Kontext an.